Wir treffen uns noch zweimal.
Mittlerweile ist klar, wir arbeiten wieder zusammen. Noch haben wir nicht darüber geredet, wann das Instrument fertig sein könnte. Den Meister drängt man nicht.
Ich glaube, ich verstehe erst ganz langsam, was ich ihm eigentlich zumute. Eine Neuentwicklung eines neuen Harfentyps. Der Mann hat seine Kunden und sein Portfolio, seine Instrumente und sein Service sind in ganz Norddeutschland geschätzt. Der macht das nicht nur wegen Geld, der ist in seiner Meisterschaft herausgefordert, der liebt Sonderlichkeiten. Ich bin ein langjähriger zufriedener Kunde und singe schon lange sein Lied. Noch anders gesprochen: Ich gehe mit seinen Instrumenten langjährige glückliche Beziehungen ein und sorge dafür, dass sie auch andere Menschen froh machen, wenn ich sie loslasse.
Wir sind nun beim Holz. Ich stehe auf Ulme, mandelbraun und wenn gut behandelt, entwickelt sie beim Hobeln und Schmirgeln einen Schimmer der an Perlmutt erinnert. Meine große Harfe bestand auch aus Ulme.
Ja, bitte Ulme!
Da führt der Harfenbauer mich zum Holzlager und zeigt mir ein Brett.
Ulme, ich glaubs (am Brett kann ich es nicht erkennen).
Und dann erzählt er mir, dass dieses Brett dem gleichen Baum entstammt aus dem auch meine alte große Harfe gebaut worden ist, die ich 17 Jahre lang bespielte. Da ist die Sache klar.
Hals und Säule werden aus Ulmenholz gefertigt.
Die Schalldecke? Vielleicht Voglaugenahorn?
Das ist das Gute, wenn man was voneinander weiß. Der Meister ist vorbereitet, erinnert meine bisherigen Instrumente und gibt mir hilfreiche Vorgaben.
Ich liebe Vogelaugenahorn. Vogelaugen sind eine Merkwürdigkeit, die manchmal und bei verschiedenen Ahornsorten auftritt. Es ist ein Holz bei dem man erst im Sägewerk merkt, wie seltsam es gepunktet ist. Wie kleine Vogelaugen. Und die Maserung ist so ausgefallen, dass man viele edle Gegenstände damit furniert. Und natürlich hatte auch meine frühere große Harfe...
Unter dem Furnier aus Vogelaugenahorn braucht es für die Belastungen, der die Schalldecke ausgesetzt sein wird, ein starkes und dennoch elastisches Holz. Das sieht man später nicht mehr an der Harfe, aber man hört es. Sogenanntes Tonholz. Die Bäume für diese Hölzer werden beim Spaziergang durch den Forst begutachtet, beklopft und ausgewählt. Die Fichten müssen langsam und gerade gewachsen sein. Sie haben enge Jahresringe und wenige Äste. Daher ist das Holz sehr dicht.
Er habe da noch, erzählt der Harfenbauer, sechzig Jahre alte Bergfichtenbrettchen, hergestellt aus Holz von langsam in Höhenlagen gewachsenen Bergfichten.
Mutmaßlich sei es sogar Mondholz, habe man in der Zeit jedenfalls noch oft gemacht.
Wie bitte?
Ich habe noch altes Holz von ums Jahr 1960 rum gefällten Bäumen, die wahrscheinlich noch bei abnehmendem Mond kurz vor Neumond um Weihnachten herum geschlagen wurden.
1960 bin ich geboren.
Die Sache mit den Neumondnächten um Weihnachten herum - wundervoll. Ich bin gewonnen!
Wikipedia erklärt mir später, dass es keine Evidenz für die besondere Wirkung von Mondholz gäbe.
Nebenbei erwähnt Wikipedia:
In der Orgel der Elbphilharmonie wurde ebenfalls Mondholz verbaut.
Na also.
Wir sprechen immer noch weder über Lieferzeiten noch über Preise.